Fluch und Segen des neuen „Systems Panzergrenadier“
aus Sicht der Führungsunterstützung
Seit Ende 2016 ist es nun soweit. Die Digitalisierung als zentrale und globale Herausforderung der Streitkräfte, ist auch im Bayerischen Wald, genauer gesagt bei den Bayerwaldgrenadieren am Standort REGEN angekommen. Die ersten Soldaten, Gruppen- und Zugführer, KpChefs sowie die Bataillonsführung machen sich auf den Weg nach MUNSTER und werden dort, durch die Einführungsorganisation PUMA auf dem neuen „System Panzergrenadier“ ausgebildet. Schenkt man den einschlägigen Berichten auf den Intra- und Internetseiten Aufmerksamkeit, dann wird durch das neue „System Panzergrenadier“ wohl vieles besser. In einer zentralisierten Führer- und Truppenausbildung wird der Grundstein für das rasche Herstellen einer Einsatzbefähigung und die Grundbefähigung der Besatzung zur Handhabung, Bedienung und Nutzung des Systems, gelegt.
Mit dem Schützenpanzer PUMA in Verbindung mit IdZ-ES (Infanterist der Zukunft – Erweitertes System), der Kompatibilität des Führungs- und Informationssystem/ BMS (Battle Management System) unter Einbindung von verschiedensten Plattformen, Schnittstellen und Erweiterungen wie Gladius, Adler o.ä., kann viel Schweiß und Blut gespart werden.
Durch diese wegweisenden Änderungen wurde ein weiterer großer Schritt in Richtung Digitalisierung gewagt. Speziell die Führungsfähigkeit, die Informationsgewinnung und der Informationsvorsprung kommen hier schwer zum Tragen. Kommen essenzielle Informationen wie feindliche und eigene Lagemeldungen, Aufklärungsergebnisse aber auch Ausfälle nahezu verzugslos und durchgängig bei der übergeordneten Führung an, kann unter Umständen ein Gefecht oder eine Operation maßgeblich zum Positiven beeinflusst werden. Marschplanung und Navigation, Befehlserstellung sowie Missionsvorbereitung können direkt aus dem System heraus erfolgen.
Nach den „Lehrjahren“ kann man mittlerweile anmerken: das System läuft und es läuft gut!
Aber ist alles besser geworden…?
Im Jahre 2019, zwei Jahre nach dem „Erstkontakt“ lautet das Fazit: „JEIN“.
Unter allen Vorteilen und jeglicher Zuversicht muss man sich eingestehen, dass „Aller Anfang“ tatsächlich schwer ist. Jede Kleinigkeit, jede Unbedachtheit und sei sie noch so klein, jede Lücke oder kleinste Fehler in der Konfiguration, jedes Versäumnis bei der Projektierung, haben Auswirkungen auf das gesamte System. So hatte man anfangs mit zu wenigen freien UHF-Frequenzen für die Datenkommunikation zwischen den elektronischen Rücken zu kämpfen, danach mit fehlenden Kabelsätzen und Adaptern und im weiteren Verlauf mit dem parallelen Betrieb von zwei Führungs- und Informationssystemen (Führungsinformationssystem Heer, Battlefield Management System (BMS) IdZ-ES). An das Arbeiten mit dem neuen „Gerät“ musste sich erst einmal gewöhnt werden. Aber betrachtet man die Vorteile sowie den Komfort, beispielsweise beim abgesessenen Kampf, bei welchem der Truppführer seinen Trupp mittels GPS jederzeit auf der digitalen Lagekarte sieht, er nicht mehr nur mit Stimme und Handzeichen führen muss, die Truppsoldaten alle per IdZ-ES miteinander verbunden sind und aufgeklärte Feindkräfte direkt in der Lagekarte und für alle ersichtlich erscheinen, kann man nach den „Lehrjahren“ mittlerweile anmerken: das System läuft und es läuft gut!
Aus Sicht des Panzergrenadierbataillon 112 stellt das System einen großen Fähigkeitszuwachs dar, gerade im Vergleich zu den Kompanien, welche noch nicht durchgängig mit dem System IdZ-ES ausgestattet sind.
Als Botschaft gilt festzuhalten: Das Bataillon hat zahlreiche Erfahrungen gesammelt und sich damit zu einem Expertiseträger entwickelt. Man muss das System vollumfänglich nutzen, nicht nur einzelne Komponenten.
In den nächsten Jahren wird es darauf ankommen, die Panzertruppen, insbesondere durch Integration von softwarebasierten, konfigurierbaren, leitungsungebundenen und netzfähigen Übertragungsmitteln sowie die Plattformanbindung abgesessener IT-Komponenten zum Einsatz unter Bedingungen der Vernetzten Operationsführung zu befähigen.
Hierbei ist es wichtig, den Systemverbund der Panzertruppen mit den Fahrzeugmustern wie GTK BOXER, TPz FUCHS, KPz LEOPARD 2 A7, SPz PUMA, sowie weiteren eingesetzten Führungs- und Unterstützungsfahrzeugen, umsetzen zu können.
In Hinblick auf das Konzept des Schützenpanzers PUMA VJTF 2023 (Very High Readiness Joint Task Force) zeigen sich erhebliche Fortschritte.
Kinderkrankheiten wurden nahezu vollumfänglich beseitigt und jetzt gilt es, auf den Erfahrungen aufzubauen und praktikable Lösungen umzusetzen.
Im Bereich der Führungsunterstützung laufen bereits Projekte, um analoge Geräte durch digitale zu ersetzen, womit Sprache und Daten auch parallel übertragen werden können. Im neuen „System Panzergrenadier“ sind zwei Kommunikationsbeziehungen notwendig, d.h. es sind neben der fahrzeuggebundenen Kommunikation, im gleichen Maße auch die Führungsfähigkeit der abgesessenen Panzergrenadiere betroffen. Das neue Konzept „Führungsfähigkeit System Panzergrenadier VJTF 2023“ stützt sich im Wesentlichen auf marktverfügbare und der Bundeswehr bereits bekannte und teilweise auch bei anderen Nationen/Bündnispartnern eingeführte Funkgeräte ab. Damit wird die parallele Übertragung von Daten und Sprache sowie die Einbindung von und die Anbindung an andere Kräfte sichergestellt. Ergebnis ist ein noch aktuelleres und umfassenderes Lagebild für alle beteiligten Kräfte in einem multinationalen Umfeld.
Die Digitalisierung auf dem Gefechtsfeld ist ein wichtiger Meilenstein und ein enormer Fähigkeitsgewinn im Bereich der Operationsführung. Wenn auch langwierig und am Anfang etwas holprig, ist absehbar, dass das neue „System Panzergrenadier“ zu einem erheblichen Anstieg der Kampfkraft der Panzergrenadiertruppe beitragen wird.
Quelle: A. Ertl, Bundeswehr
Foto: R. Zwilling, Bundeswehr