Rinchnach. Wer mit Andreas Ertl spricht, der beginnt zu verstehen, zu was der menschliche Körper eigentlich fähig ist. Der 45-jährige
Rinchnacher ist Ultra-Trail-Runner. Bedeutet: Er läuft Strecken von 50 Kilometern aufwärts, meist mit etlichen Höhenmetern – und das in
unbefestigtem Gelände. Erst vor kurzem hat Ertl an seinem bislang längsten Lauf teilgenommen, dem „Zugspitz Ultratrail“ in Garmisch-Partenkirchen: 164 Kilometer und 8302
Höhenmeter hat er dabei zurückgelegt – und war mit nur kurzen Pausen insgesamt 35 Stunden unterwegs. Laufzeit: 29 Stunden und 38
Minuten.
Ein Lauf dieser Dimension ist auch für Andreas Ertl nicht alltäglich, selbst wenn er beim Training schon einiges an Strecke zurücklegt. „In der
Regel laufe ich rund hundert Kilometer pro Woche.“ Trainiert wird auf den umliegenden Bergen, wenn’s schnell gehen muss auch mal auf seiner
„Hausstrecke“ rund um den Wagensonnriegel und Hessenstein daheim in Rinchnach oder auch auf dem Kronberg in der Nähe seiner Arbeitsstätte
in Regen. „Unter der Woche mach’ ich meist so zwei bis drei intensive kürzere Läufe und am Wochenende in der Regel dann einen oder zwei
lockere lange.“
Wie bei den langen Wettkämpfen auch im Training schon die komplette Distanz am Stück zu laufen, habe er auch schon ausprobiert. Macht aber
wenig Sinn, weiß er. „Da hat man einfach eine zu lange Regenerationszeit.“ Für den Körper sind solche Ultra-Trails freilich massiv anstrengend.
Deshalb ist Ausgleich und das richtige Muskeltraining wichtig, auch mit anderen Sportarten, wie Radfahren, Langlaufen und Schwimmen. Und:
Man muss auf den eigenen Körper hören.
„Es ist schon eine gewisse Sucht“, weiß Andreas Ertl. Auch er werde unruhig, wenn er mal zwei Tage nichts tut. „Aber wenn ich merke, dass
mein Körper sagt, es reicht, dann kann ich auch mal pausieren. Vielleicht war ich deshalb noch nie wirklich verletzt.“
Früher, beim Fußball, da kam das aber schon auch mal vor, sagt Ertl. Sportlich war der Rinchnacher schon immer. Als Stürmer hat er nicht nur in der
Bezirksoberliga gespielt, sondern war auch in der Auswahl für die Bundeswehrnationalmannschaft mehrmals im Einsatz. Wegen gesundheitlicher Probleme wurde
diese Karriere allerdings rasch ausgebremst.
Dann rückten die Geburt seines Sohnes und der Bau eines Eigenheims erst einmal in den Vordergrund. Nach einem kurzen Exkurs ins Marathon-Milieu
stieß Andreas Ertl schließlich auf die Ultra Trails. „Ich bin einmal auf der Zwölf-Tausender-Tour von Bad Kötzting nach Bay. Eisenstein gewandert als mir einer
entgegengelaufen kam“, erinnert sich Ertl. „Ich hab mir gedacht: Wie kann man sowas laufen?“
Der Ehrgeiz war geweckt, er wollte das Gefühl selbst ausprobieren. Beim ersten Versuch mit einem Kameraden aus Lohberg auf einer Strecke von der Scheibe zum Großen Osser hat er
dann gemerkt: „Das ist genau das, was mir taugt.“
In der Natur sein und die damit verbundenen Ausblicke haben es ihm angetan. „Wenn du die ganze Nacht durchläufst und dann den
Sonnenaufgang oben auf dem Berg siehst, das gibt dir wieder Kraft.“ Und die braucht man beim Ultra Trail auch. Die Teilnehmer sind je nach
Strecke teils über 24 Stunden am Laufen, nur mit kurzen Pausen, in denen sie mit Nahrungsgels und Kohlehydratgetränken ein bisschen Energie auffüllen oder Schuhe
wechseln. „Bei mir ist Zähneputzen am Morgen ein Ritual geworden. Das ist, als würde ich neu anfangen“, verrät Andreas Ertl.
Mittlerweile hat der 45-Jährige bei zahlreichen Veranstaltungen mitgemacht. Ultra Trail wird immer beliebter. Und Ertl kennt auch die
Organisationsseite: In Rinchnach hat er mit anderen Ultra-Trail-Runnern und unter Federführung der Sparte Ski des FC Rinchnach 2022
erstmals den „Klouster Backyard“ im Rahmen des Runners Festival veranstaltet, welche 2024 zum dritten Mal stattfand und nun im Zwei-Jahres-Rhythmus abgehalten werden soll.
Ein großes Ziel hat sich Andreas Ertl auch mit der Teilnahme am Ultra-Trail du Mont-Blanc in Chamonix bereits 2024 erfüllt. „Das ist das El Dorado der Ultra
Trails und da muss man als Trailrunner mindestens einmal an der Startlinie gestanden haben.“
Sportliches organisieren, da hat Andreas Ertl auch in seinem Beruf Erfahrung. Bei der Bundeswehr ist er nebentätlich als Sportoffizier im Einsatz
und dabei unter anderem für die Sporteinrichtungen, die Durchführung von Sportausbildung und die Erstellung von Trainingsplänen zuständig. Robustheit, Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen waren ihm demnach bereits vor der Trailrunner-Karriere keine Fremdwörter.
Auch zu Hause hat Andreas Ertl Unterstützung von seiner Frau Mareike, die ihn auch schon mal zu Startpunkten seiner Touren fährt bzw. abholt. Und auch seinen Bruder Manuel hat er
mittlerweile fürs extremere Laufen begeistern können.
Die Liebe zum Sport hat Andreas Ertl außerdem an seinen Sohn Julian weitergegeben, der vor kurzem 18 geworden, allerdings mehr mit
dem Rad bzw. beim Fußball unterwegs ist. Ob Schwimmen, Fußball, Laufen oder radeln, wie jüngst mit Freunden von Rinchnach aus bis nach Mailand – Andreas Ertl schmunzelt, als
er sagt: „Ich glaube der wird noch extremer als ich.“
Quelle: Mühllehner, PNP
Bilder: Privat