Von Grabräubern und Gedenkstätten

Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge geht weiter ? Spendensammler geehrt

(PNP) Zwiesel. Den Metalldetektor hat er noch in der Hand, die Schaufel steckt im Erdboden. Neben dem tiefen Loch liegen ein Stahlhelm, militärische Ausrüstung, Munition. Und irgendwo dazwischen menschliche Knochen. Der junge Mann ist ein Grabräuber. Irgendwo in Russland hat er das Grab eines deutschen Soldaten geplündert. Seine „Beute“ kann ihn reich machen. Bis zu 40 000 US-Dollar zahlen manche Menschen für einen Stahlhelm, in dem noch der Schädel eines gefallenen Wehrmachtsoldaten steckt.

Es sind Bilder wie diese, die Walter Stierstorfer am Montag im Sitzungssaal des Rathauses zeigt. Der Bezirksgeschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist in die Glasstadt gekommen, um Soldaten der Bundeswehr, Mitglieder des Veteranenvereins und Privatpersonen zu danken, die auch in diesem Jahr wieder als Spendensammler für den Volksbund unterwegs waren. Genau 6088,14 Euro sind zusammengekommen. Geld, das der Volksbund auch 67 Jahre nach Kriegsende gut gebrauchen kann. Denn in Deutschland ist es eben nicht der Staat, sondern die zivile Institution des Volksbundes, die sich um die gefallenen deutschen Soldaten aus zwei Weltkriegen kümmert.

„Unser Schwerpunkt ist auch weiterhin Südosteuropa“, erklärt Walter Stierstorfer. Rund 3,2 Millionen deutsche Soldaten sind hier ums Leben gekommen. Die meisten von ihnen wurden in den Wirren des Krieges noch auf den Schlachtfeldern verscharrt, nicht tiefer als 30 Zentimeter unter der Erde. Wenn heute die großen Ackerflächen der ehemaligen Sowjetunion bewirtschaftet werden, dann kommen immer wieder menschliche Knochen zum Vorschein. „Meist werden die Gebeine achtlos irgendwo an den Feldrändern abgelegt“, weiß Walter Stierstorfer.

Auch 67 Jahre nach Kriegsende haben in den Augen vieler Russen die Soldaten der deutschen Wehrmacht kein Recht auf eine ordentliche Bestattung. Für dieses Recht aber kämpft man beim Volksbund. Es ist bekannt, wo die großen Schlachten stattfanden. Man weiß, wo die Massengräber liegen. Leider wissen das auch viele Grabräuber. Das Geschäft mit den Kriegstoten boomt. „Für einen russischen Grabräuber ist das intakte Grab eines Wehrmachtsoldaten wie ein Sechser im Lotto“, weiß Walter Stierstorfer.

40 000 Dollar für einen Schädel im Stahlhelm, bis zu 10 000 Dollar für einen Helm mit Einschussloch werden bezahlt. Auch besondere Stücke wie der silberne Siegelring der Luftwaffe oder Abzeichen der Waffen-SS finden immer noch weltweit Käufer. „Das Geschäft ist fest in den Händen der Mafia ? und es ist ein einträgliches Geschäft für arme Russen“, so Stierstorfer.

Doch die Grabräuber stören nicht nur die Totenruhe, sie zerstören auch die Hoffnung vieler Angehöriger zu erfahren, wo der Vater oder Großvater sein Leben gelassen hat. „Die Grabräuber nehmen alles mit, was zur Identifizierung des Soldaten hätte beitragen können“, so Walter Stierstorfer. Wenn Experten des Volksbundes ein Grab öffnen, sei die Wahrscheinlichkeit dagegen sehr hoch, dass den menschlichen Überresten in der Erde ein Name, ein Schicksal, ein Leben zugeordnet werden könne. Neben der Erkennungsmarke nutzen die Experten zum Beispiel auch so genannte Grabflaschen, Glasflaschen in die die Wehrmacht die Papiere der Gefallenen gesteckt, versiegelt und neben den Toten begraben hat. „Auch nach fast 70 Jahren spielen sich immer wieder bewegende Szenen ab, wenn wir Angehörigen sagen können, dass wir den Vater oder Großvater gefunden haben.“ 50 000 Bergungen im Jahr und eine Identifikationsquote von 80 Prozent ? das ist das Ziel des Volksbunds.

In der ganzen Welt, von Ägypten bis Zentralrussland, hat der Volksbund mittlerweile Soldatenfriedhöfe errichtet. Michail Gorbatschow war es, der auch den Weg hinter den Eisernen Vorhang geöffnet hat. Auf ein Projekt in St. Petersburg-Sologubowka ist Walter Stierstorfer besonders stolz. Die dortige Maria-Hilf-Kirche wurde von den Kommunisten geschlossen, der Pfarrer hingerichtet. Im Zweiten Weltkrieg diente die Kirche dann als Lazarett. Sie lag mitten im Kessel von Leningrad. Die Wehrmacht hatte dort Teile der Roten Armee eingekesselt und ausgehungert. 30 000, vielleicht auch 300 000 Menschen starben. Viele von ihnen wurden auf dem Platz vor der Lazarett-Kirche begraben.

Mit Hilfe einer großen Spendenaktion ist es dem Volksbund gelungen, die Kirche zu restaurieren und vor dem Gebäude einen riesigen Friedhof zu errichten. „Es waren aktive Soldaten der Bundeswehr und aktive russische Soldaten, die hier 2008 gemeinsam die Sarkophage mit den sterblichen Überresten der Soldaten neu bestattet haben“, so Stierstorfer. Versöhnung über den Gräbern ? darum geht es dem Volksbund.

Was in Russland schon gut funktioniert, das steckt im Nachbarland Tschechien erst in den Anfängen. Vertreibung, Flucht, Massaker an der deutschstämmigen Bevölkerung, in diesem Kapitel der nachbarschaftlichen Beziehungen gilt es noch viele dunkle Seiten aufzuarbeiten. „Aber mittlerweile sind wir auch hier tätig. Die Versöhnungsarbeit hat begonnen“, so Stierstorfer.

Den Spendensammlern aus Zwiesel dankte der Bezirksvorsitzende herzlich für ihre Hilfe, finanziere sich die Arbeit des Volksbundes doch hauptsächlich über Spenden. Danke sagte Stierstorfer auch der Stadt Zwiesel und insbesondere Herbert Fuchs vom Sozialamt für die gute Zusammenarbeit.

Auch Vizebürgermeister Eberhard Kreuzer dankte den Spendensammlern, besonders den aktiven Soldaten der Bundeswehr, für ihr Engagement und lobte das gute Verhältnis zwischen der Bundeswehr und der Stadt Zwiesel. „Ich hoffe nur, dass Sie von allen Ihren Einsätzen wieder heil nach Hause kommen und wir nie wieder einen neuen Soldatenfriedhof anlegen müssen“, so Kreuzer.

   

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